Arbeitnehmer*innenschutz im Bereich des Rauchfangkehrers (Arbeiten am Dach)
Wer ist für welche Sicherheitsvorkehrungen und Maßnahmen verantwortlich? Finden Sie hier eine Zusammenfassung.
Zuständigkeiten der Arbeitgeber*innen
Arbeitnehmerinnenschutzgesetz – Bauarbeiterschutzverordnung
Der Arbeitnehmer*innenschutz nach dem Arbeitnehmer*innen-Schutzgesetz ist aufgrund dieser rechtlichen Bestimmungen im alleinigen Verantwortungsbereich des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die in diesen Regelwerken geforderten Maßnahmen umzusetzen. Daher ist er auch strafrechtlich und zivilrechtlich dafür verantwortlich, wenn sich ein Arbeitsunfall ereignet.
Die genaueren Schutzmaßnahmen sind in der Bauarbeiterschutzverordnung geregelt. Bei näherer Betrachtung der Bauarbeiterschutzbestimmung stellt man fest, dass sich das Rauchfangkehrer-Unternehmen zu den anderen Bauunternehmen (z.B. Zimmermann, Hochbauunternehmen udgl.) wesentlich unterscheidet. So haben die Unternehmen für oder an einer Baustelle auch die Verfügungsgewalt über ihren Arbeitsbereich auf der Baustelle und können deshalb ohne Zustimmung des Bauherrn die erforderlichen (manchmal auch baulichen) Schutzmaßnahmen setzen. Ebenfalls können diese die Kosten der erforderlichen Schutzmaßnahmen (z.B. Gerüste, Schutznetze, Arbeitsbühnen) bei Auftraggebern abrechnen. Sollte der Bauherr diesbezüglich Widerstand leisten, so können diese Unternehmen auch die Arbeiten ablehnen. Alle diese Möglichkeiten hat das Rauchfangkehrer-Unternehmen nicht.
Auswärtige Arbeitsstellen
Da das Rauchfangkehrer-Unternehmen nicht auf einer Baustelle tätig ist, wurde in der Bauarbeiterschutzverordnung geregelt, dass der Rauchfangkehrer auf einer auswärtigen Arbeitsstelle tätig ist. Dies ist aber mit kleinen Ausnahmen schon die einzige Unterscheidung. Alle anderen Schutzbestimmungen, welche den Arbeitgeber auf einer Baustelle treffen, sind auch für den Rauchfangkehrer anzuwenden. Das größte Problem liegt bereits daran, dass der Rauchfangkehrer-Betrieb (unabhängig von der Finanzierung) keine diesbezügliche Verfügungsgewalt (wie der Bauunternehmer) über das betreffende Gebäude hat, um irgendwelche baulich erforderlichen Schutzmaßnahmen zu treffen. Diese Verfügungsgewalt hat allein der Eigentümer des Gebäudes. Der Rauchfangkehrer darf keine fix verlegten Dachleitern, bauliche Verankerung oder andere in das Eigentum eingreifende Maßnahmen treffen. Demgegenüber ist allerdings der Rauchfangkehrer durch die Gewerbeordnung einem Kontrahierungszwang gegenüber dem Gebäudeeigentümer unterworfen, und darf die Rauchfangkehrerarbeiten nicht ablehnen. Verschärft wird dieser Kontrahierungszwang noch durch die bundesländerspezifischen Kehrordnungen, wo ebenfalls die verpflichtende Durchführung der gefahrenabwehrenden Rauchfangkehrerarbeiten durch den Rauchfangkehrer gegeben ist.
Verantwortung der Gebäudeeigentümer*innen
Baugesetze
Die Arbeitnehmer*innenschutzbestimmungen regeln die Verpflichtungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Diesbezügliche Verpflichtungen von den Gebäudeeigentümern finden darin keinen Platz. Hier sind die bundesländerspezifischen Baubestimmungen und das Allgemein Bürgerliche Gesetzbuch heranzuziehen.
Die seit 2007 österreichweit gültigen OIB-Richtlinien 3 Pt 5.3 sehen folgende Regelung verpflichtend für den Gebäudeeigentümer*innen vor:
5.3 Reinigungsöffnungen
5.3.1 Jede Abgasanlage muss zur leichten Reinigung und Überprüfung über Reinigungsöffnungen verfügen, die zu-mindest am unteren (Putzöffnung) und am oberen Ende (Kehröffnung) der Abgasanlage angeordnet sind. Eine Kehröffnung ist nicht erforderlich, wenn die Abgasanla-ge über einen gesicherten Zugang von der Mündung aus gekehrt und überprüft werden kann. – OIB-Richtlinie
Erläuternde Bemerkungen zu Punkt 5.3: Reinigungsöffnungen
Zu Punkt 5.3.1
Leitern und Stege für die Durchführung der Reinigung und Überprüfung von Abgasanlagen werden beispielsweise in der ÖNORM B 8207 „Rauch- und Abgasfänge – Leitern und Stege für die Durchführung der Reinigung und Überprüfung von Fängen“ geregelt. Da es in einer Abgasanlage unabhängig von der Beheizungsart zu Verlegungen durch Laub, Tiere etc. kommen kann, muss die Kehrung auch bei Gasheizungen möglich sein.
Da die baurechtlich verpflichtenden Regelungen für Gebäudeeigentümer*innen zwingend einzuhaltendes Recht sind, kann bei einem beispielhaften Rückblick der diesbezüglichen zwingenden Rechtsvorschriften z.B. im Jahre 1976 in Tirol festgestellt werden, dass bereits seit mindesten fünf Jahrzehnten sinngemäß diese Bestimmungen der derzeit gültigen OIB-Richtlinien zwingendes Recht sind und deshalb von Gebäudeeigentümer*innen schon seit dieser Zeit verpflichtend umzusetzen gewesen wären.
Tiroler Bauordnung vom 20. Jänner 1976 § 25 Rauchfänge § 10:
Im Bereich des oberen Endes und am unteren Ende von Rauchfängen sind Reinigungsöffnungen anzubringen, die mit doppelten, nicht brennbaren Verschlüssen ausgestattet sein müssen. Die Reinigungsöffnungen im Bereich des oberen Endes kann entfallen, wenn die Reinigung vom der Rauchfangmündung gefahrlos erfolgen kann. Reinigungsöffnungen müssen zugänglich sein.
Erläuternde Bemerkungen zu Rechtsvorschriften dienen zur Präzisierung, einfacheren Rechtsauslegung und Erklärung der betroffenen Rechtsvorschrift. Aufgrund dieser erläuternden Bemerkungen handelt das rechtsgestaltende Organ. Daher sind diese erläuternden Bemerkungen ein Bestandteil der Rechtsvorschrift insbesondere bei späteren Auslegungsproblemen. Dies bedeutet, dass alle neun Bundesländer durch die ÖNORM B 8207 Dachleitern und Laufstege als Stand der Technik für einen gesicherten Zugang zur Rauchfangmündung in baurechtlicher Sicht für ausreichend erachten.
Allgemein Bürgerliches Gesetzbuch § 1151 Werkvertrag
Zwischen dem Rauchfangkehrer-Unternehmen und Eigentümer*innen oder Verfügungsberechtigten einer Feuerungsanlage besteht ein Werkvertrag. Aufgrund dieses Vertrages hat sowohl der Auftraggeber (Eigentümer*in od. Verfügungsberechtigte) als auch der Auftragnehmer (Rauchfangkehrer-Unternehmer) Verpflichtungen gegenüber dem Vertragspartner einzuhalten. Eine dieser Verpflichtungen ist die Fürsorgepflicht (§1169ABGB) des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer (und dessen MitarbeiterInnen).
Entsprechend dieser Verpflichtung (§ 1157 ABGB) hat der Auftraggeber hat die Leistungen so zu regeln und bezüglich der von ihm beizustellenden oder beigestellten Räume und Gerätschaften auf seine Kosten dafür zu sorgen, dass Leben und Gesundheit des Auftragnehmers, soweit es nach der Natur der Dienstleistung möglich ist, geschützt werden.
Diese Verpflichtung des Auftraggebers tritt spätesten dann in Kraft, wenn der Auftragnehmer (Rauchfangkehrer-Unternehmer) den Auftraggeber auf fehlende bauliche Arbeitnehmerschutzmaßnahmen (Dachleitern, Laufstege, bauliche Verankerungen udgl.) hinweist.
Bei Problemen aus Verletzung dieser Fürsorgepflicht entstehen unter Umständen auch zivilrechtliche Folgen (Haftungsansprüche, Schadenersatzforderung) auch gegen den Auftraggeber.
Das Rauchfangkehrer-Unternehmen hat an dem frem-den Eigentum (auswärtige Arbeitsstelle) keinerlei direkte Verfügungsgewalt zur Herstellung der unbedingt erfor-derlichen baulichen Arbeitnehmerschutzmaßnahmen, diese liegt beim Eigentümer des Gebäudes. Die rechtli-che Zwangsgewalt liegt hier bei den Baubehörden oder Zivilgerichten.
Persönliche Schutzausrüstung
Die Arbeitnehmer*innenschutzbestimmungen sehen in ihren Grundsätzen vor, dass dem kollektiven Gefahrenschutz vor individuellem Gefahrenschutz der Vorrang zu geben ist. Daher sind Laufstege und Dachleitern udgl. der alleinigen individuellen Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung vorzuziehen. Diese an den Arbeitgeber gerichtete gesetzliche Aufforderung hat dieser bei dem ihm auferlegten Arbeitnehmer*innenschutz zu beachten. Der Arbeitgeber hat hierbei alle ihm möglichen Mittel zumindest wahrzunehmen. Z.B. Information der Baubehörde, Information des Feuerungsanlageneigentü-mers, jeweilige Arbeitsplatzevaluierung, Verhaltensweise der Arbeitnehmerinnen festlegen u.v.m. So hat der Ar-beitgeber unter anderem die persönliche Schutzausrüs-tung zur Verfügung zu stellen. Die für die Verwendung der PSA erforderlichen baulich fest verbauten baulichen Ver-ankerungen bzw. gespannten Rückhaltesysteme fallen in den Umsetzungsbereich des Gebäudeeigentümers. Das Arbeitsinspektorat Tirol hat am 5. Mai 2021 unter GZ: 011-152/17-14/21 unter Punkt 5 bei den individuel-len Schutzmaßnahmen festgestellt, dass der Rauch-fangkehrer einen Alleinarbeitsplatz hat. Daher ist bei der Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung kein Auffangsystem (Auffangsysteme erfordern mindestens zwei Mitarbeiter*innen vor Ort und eine vorhandene Bergeeinrichtung) zulässig ist, sondern ein Rückhaltesystem erforderlich ist. Rückhaltesysteme sind bereits vorhandene baulich verankerte Führungsstahlseile, an denen der Rauchfangkehrer sich mit seiner PSA einhängen kann, und nicht die Gefahr eines Auffangsturzes besteht. Auch hier ist die Zuständigkeit für die Verfügbarkeit und Anwendung des Sicherheitsgeschirrs im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers, aber das Schaffen der baulichen Voraussetzung (gespanntes Stahlseilsystem mit baulichen Ankerpunkten und deren wiederkehrende Überprüfung) im Verantwortungsbereich des Feuerungsanlagenbesitzers bzw. Gebäudeeigentümers (über eine auswärtige Arbeitsstelle - fremdes Gebäude - hat das Rauchfangkehrer-Unternehmen diesbezüglich keine rechtliche Verfügungsgewalt).
Neue Gefahrenstellen in der Praxis
Da derzeit Photovoltaikanlagen teilweise bis zu 100 m² Fläche (vollständige Dachflächen) und mehr auf Dächern ohne Berücksichtigung der diversen Schutzbestimmungen für die Rauchfangkehrerarbeiten am Dach explosionsartig errichtet werden, und diese im alpinen Bereich (ab ca. 700 m Seehöhe) mit einer geschlossenen Schneedecke bei Neuschnee und darüber hinaus auch Altschnee) von mehreren Monaten nicht zu erkennen sind, kann der Arbeitgeber durch keine der vorgenannten Schutzmaßnahmen einen ausreichenden Arbeitnehmerschutz gewährleisten. Werden solche PV-Module unabsichtlich (da diese unter der Schneedecke nicht erkennbar sind) betreten, wird der Schnee abrutschen, da keine Bindung des Schnees mit der glatten Oberfläche der PV-Paneele besteht. Dies wird dann unweigerlich zum Sturz und Absturz der Rauchfangkehrer*in am und vom Dach führen. Für Folgen eines solchen Absturzes dürfte es wohl kaum eine Rolle spielen, ob die Absturzhöhe von 3 Metern nicht überschritten wird. Bedenkt man, dass z.B. in Tirol bei ca. 30 Betrieben die Gebäude über einer Seehöhe von 700 m liegen und dort mit einer geschlossenen Schneedecke auf Dächern über einen Zeitraum von mind. 3 Monaten zu rechnen ist, kommt man beim derzeitigen PV-Anlagenausbau auf Dächern auf ca. mind. 1000 Photovoltaikanlagen, welche für den Rauchfangkehrer ein heimtückisches, nicht erkennbares Risiko beherbergen. Dieses Risiko lässt sich auch mit einen Rückhaltesystem nicht beseitigen da auch dieses unter der Schneedecke nicht erkennbar und verfügbar ist.
In vielen Fällen wird kein derartig eindeutig erkennbarer Zugangsbereich zu der Mündung der Abgasanlage freigehalten. Dennoch reichen hier die PV-Module an einer Seite direkt an die Abgasanlage. Daher besteht auch in diesem Fall bei einer geschlossenen Schneedecke für den Rauchfangkehrer ein hohes Gefährdungspotenzial.
Aufgrund der zusätzlichen Zuständigkeit, dass der Gebäudeeigentümer Schutzmaßnahmen zu setzen hat, und diese aber oft mangels Bereitschaft der Behörde zum Einschreiten, sowie mangelnder Erfüllungspflicht der Gebäudeeigentümer bereits bei den bisherigen bestehenden Gebäudebestand, seit mehr als 50 Jahren nur mangelhaft umgesetzt werden, entsteht nun explosionsartig ein neues zusätzliches Sicherheitsrisiko für Rauchfangkehrer*innen, wenn diese die verwaltungsrechtlichen Bestimmungen der Gewerbeordnung und Kehrgesetze einhalten wollen. Für diese Fälle bleibt dem Rauchfangkehrer-Unternehmer nur mehr übrig, die Mitarbeiter aufzufordern, in solchen Fällen die Dächer nicht zu betreten und der schriftlichen Ausführung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt zu folgen.
Dazu Frau Magistra Jana Wagner, Generaldirektion Rechtswesen der AUVA: "In jedem Fall ist dem Schutz der Gesundheit bzw. des Lebens der Arbeitnehmer*innen und in Folge der Verhinderung von Verletzungen – im schlimmsten Fall von bleibenden Schäden – der Vorzug gegenüber der Erfüllung allfälliger verwaltungsrechtlicher Vorschriften zu geben."
Mag.a Jana Wagner
Generaldirektion Rechtswesen der AUVA
"In jedem Fall ist dem Schutz der Gesundheit bzw. des Lebens der Arbeitnehmer*innen und in Folge der Verhinderung von Verletzungen – im schlimmsten Fall von bleibenden Schäden – der Vorzug gegenüber der Erfüllung allfälliger verwaltungsrechtlicher Vorschriften zu geben."




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